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Cannabis-Barometer: Missbrauch von Medizinalcannabis? Umfragen widerlegen Generalverdacht des BMG

Geschrieben von Dr. Julian Wichmann | 02.10.25 07:00

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) verdächtigt Cannabis-Patient:innen pauschal des Missbrauchs – und plant auf dieser Basis einen Gesetzesentwurf, der hunderttausende Betroffene faktisch re-kriminalisieren würde. Am 8. Oktober 2025 soll er im Kabinett beraten werden. Doch die Ergebnisse des aktuellen Cannabis-Barometers sprechen eine andere Sprache.

3.879 Patient:innen und 500 Hausärzt:innen befragt

In einer groß angelegten Befragung hat Bloomwell, im Falle der 500 Hausärzt:innen gemeinsam mit DocCheck, untersucht, warum so viele Patient:innen ihren Zugang zu Cannabis über Telemedizin-Plattformen suchen. Das Ergebnis: Missbrauch ist nicht die Ursache. Vielmehr stehen Ablehnung, Vorurteile und strukturelle Defizite im Gesundheitssystem im Weg.

Klare Zahlen gegen den Missbrauchs-Verdacht

  • 55 Prozent der Cannabis-Patient:innen haben zunächst mit Haus- oder Fachärzt:innen über eine Therapie gesprochen – und wurden in 87,9 % der Fälle abgewiesen.

  • Die Ablehnungsgründe: fehlende Erfahrung (39,1 %), Zweifel an der Kostenerstattung (26,5 %), kategorische Ablehnung von Cannabinoiden (41,1 %) oder generelle Vorbehalte (55 %).

  • Statt Cannabis erhielten 68,7 % der Befragten ein Rezept für ein anderes verschreibungspflichtiges Medikament – darunter 56,2 % ein Betäubungsmittel wie Fentanyl.

Cannabis-Therapie reduziert Nebenwirkungen anderer Medikamente

Die Daten widerlegen nicht nur den Generalverdacht des BMG, sondern belegen auch die positiven Effekte:
90 Prozent der Patient:innen konnten durch Medizinalcannabis mindestens ein anderes Medikament vollständig absetzen oder die Dosis signifikant reduzieren – und so Nebenwirkungen vermeiden.

Ärztliche Expertise: mangelhaft bewertet

Fast zwei Drittel der Patient:innen bewerten die Expertise ihrer Ärzt:innen zu medizinischem Cannabis mit mangelhaft oder ungenügend. Der Durchschnitt: Schulnote 5+.

Auch die parallel durchgeführte DocCheck-Umfrage zeigt massive Vorbehalte:

  • 27 % der Hausärzt:innen haben seit der Herausnahme aus dem BtMG (April 2024) noch nie Cannabis verordnet.

  • 50 % der Verordner:innen betreuen maximal fünf Cannabis-Patient:innen.

  • Nur rund 20 % können sich vorstellen, in einem typischen Fall Cannabis ohne vorherige Gabe von starken Betäubungsmitteln wie Tilidin oder Fentanyl einzusetzen.

Schlechtere Versorgung durch erzwungene Praxisbesuche

Der Gesetzgeber argumentiert, dass strengere Vorgaben die Betreuung verbessern würden. Die Zahlen zeigen das Gegenteil:

  • 30 % der Patient:innen mit Kostenübernahme sehen ihren Arzt seltener als einmal im Quartal.

  • 38 % haben höchstens vierteljährliche Termine.

Gerade Telemedizin ermöglicht hier engere, flexiblere und kompetentere Begleitung – während volle Wartezimmer und lange Verzögerungen im Präsenzsystem die Versorgung verschlechtern.

Fazit: Daten statt Ideologie

Das Cannabis-Barometer widerlegt den Generalverdacht des Missbrauchs klar und zeigt: Patient:innen scheitern nicht am Willen zur seriösen Therapie – sondern an Vorurteilen, Unwissen und Strukturen im Gesundheitssystem.

Eine Politik, die medizinisches Cannabis weiter stigmatisiert, gefährdet die Versorgung und ignoriert die realen Erfolge in der Behandlung.