Welche Risiken birgt der nicht medizinische Cannabiskonsum?
Die Legalisierung von Cannabis zu medizinischen Zwecken hat bei den Krankenkassen zu einem...
By: Dr. Julian Wichmann 23.11.23 15:44
In den vergangenen Jahren ist Cannabis als Medizinprodukt immer mehr in den Fokus gerückt. Die Pflanze gilt als gut verträglich und kann bei verschiedenen Krankheitsbildern Linderung bringen, etwa bei Multipler Sklerose oder Depressionen. Gleichzeitig birgt der Konsum von Cannabis Risiken, die nicht unterschätzt werden sollten.
Gegner:innen der medizinischen Behandlung mit Cannabis weisen auf etwaige psychische Konsequenzen und gesundheitliche Probleme hin, die durch den Cannabiskonsum entstehen können. Eine Wesensveränderung sei laut ihnen nicht auszuschließen.
In diesem Text betrachten wir, wie riskant der Konsum von Cannabis für die psychische Gesundheit sein kann. Wir gehen in diesem Zuge auf die Wirkung von THC im Gehirn ein, erläutern, was eine Cannabis Psychose ist und wie es dazu kommen kann und rücken die gefürchteten, psychischen Auswirkungen des Cannabiskonsums in Perspektive.
Natürliches Cannabis verfügt über 113 bioaktive Stoffe, die sogenannten Cannabinoide. Diese Pflanzenstoffe können mit dem körpereigenen Endocannabinoidsystem interagieren und so verschiedene Wirkungen auf den Körper und die Psyche entfalten.
Das wohl bekannteste Cannabinoid ist Tetrahydrocannabinol (THC). Um dieses Cannabinoid drehen sich die Ausführungen in diesem Artikel. Seine bewusstseinsverändernde Wirkung im Gehirn wird medizinisch genutzt, kann aber gleichzeitig unerwünschte Folgen haben.
Dazu gehören nicht nur physische Beeinträchtigungen (etwa der Atemwege, wenn Cannabis geraucht wird), sondern allen voran psychische Probleme. Besonders bei Beginn des Cannabiskonsums in der Jugend kann die gesunde Entwicklung des Gehirns beeinträchtigt werden. Es wird vermutet, dass dann Psychosen und Wesensveränderungen als Folgen eines unkontrollierten Cannabiskonsums entstehen können.
Mehrere Studien weisen darauf hin, dass jugendliche Cannabiskonsumenten deutlich höheren Risiken ausgesetzt sind als Erwachsene. Der Grund liegt in der Wirkung der psychoaktiven Komponente THC auf das Gehirn. Bis zum 23. Lebensjahr dauert es, bis das Gehirn eines Menschen aus neurochemischer Sicht voll entwickelt ist.
THC bindet an die CB1 Rezeptoren im Gehirn. Das löst eine ganze Reihe von Prozessen aus, darunter eine übermäßige Ausschüttung von Dopamin und eine Beeinträchtigung der Kommunikation zwischen den Synapsen. Ersteres löst ein starkes Glücksgefühl aus, das im Kontext des Konsums von Cannabis auch als High bekannt ist. Zweiteres führt auf Dauer zu einer Verkümmerung des präfrontalen Kortex. Ein zu kleiner und zu wenig aktiver präfrontaler Kortex wird mit Lernschwierigkeiten, Gedächtnislücken und Konzentrationsstörungen in Verbindung gesetzt [1].
Der übermäßige Cannabiskonsum kann außerdem dazu führen, dass der Hippocampus und das Mittelhirn zu stark aktiviert werden. Das beeinträchtigt nicht nur das Fehlerlernen und die verbale Lernfähigkeit, sondern schränkt zudem das Problembewusstsein und das Problemlösevermögen ein [2]. Eine australische Studie schlussfolgerte, dass ein starker täglicher Cannabiskonsum über längere Zeiträume schädliche Auswirkungen auf das Gehirngewebe und die psychische Gesundheit haben kann [3].
Während sich das Gehirn entwickelt, ist das körpereigene Endocannabinoidsystem besonders aktiv und enthält deutlich mehr Endocannabinoid Rezeptoren als ein erwachsenes Gehirn. Erhält das Gehirn nun zusätzlich Cannabinoide von außen, stört das den Versuch des Gehirns, sich aus eigener Kraft zu kalibrieren. Das Gehirn wird praktisch mit Cannabinoiden geflutet. Das stört nicht nur die Kommunikation der Gehirnareale untereinander, sondern schwächt die Schutzummantelungen der Nervenfasern. Entwicklungsstörungen können die Folge sein. Deren Ausprägung hängt allerdings stark von der eigenen genetischen Veranlagung ab, sowie von der Häufigkeit der Einnahme und der Qualität des Cannabis. Synthetische Cannabinoide, die nicht Bestandteil einer Medikation sind, sind hierbei besonders gefährlich.
Ein starker Cannabiskonsum in der Jugend kann sehr wohl gefährlich sein. Dennoch zeigen einige Studien, dass die Veränderungen im Gehirn von Heranwachsenden teilweise reversibel sind. Nach einem Cannabisentzug für mehrere Stunden bis hin zu mehreren Wochen konnte dich die Gedächtnisleistung erholen [4]. Für durch Cannabis ausgelöste Psychosen gilt dies jedoch nicht.
Als Cannabis Psychose wird allgemein eine Störung der Wahrnehmung verstanden, die durch den Konsum von Cannabis entsteht. An dieser Stelle wird eine Kausalität vorausgesetzt: Die psychotische Störung wird durch Cannabis ausgelöst.
Bisher ist jedoch nicht abschließend geklärt, ob nicht lediglich eine Korrelation zwischen den beiden Phänomenen besteht. Zweifelsfrei treten Psychosen bei starken Cannabiskonsumenten oder nach einer Cannabis Überdosis auf. Es könnte aber genauso gut sein, dass das soziale Umfeld, traumatische Erlebnisse oder die genetische Veranlagung eine wichtige Rolle in der Entstehung von Psychosen spielen. Neuere Forschungen kommen ganz und gar zu dem Schluss, dass die Kausalität genau andersherum aufzustellen ist: das genetische Schizophrenie- bzw. Psychoserisiko ist die Ursache für den Cannabiskonsum [5,6].
Dennoch steht fest, dass eine Cannabis Überdosis bzw. die Einnahme von THC psychotische bzw. Psychose ähnliche Erlebnisse verursachen kann – auch bei gesunden Menschen.
Psychosen können sich unterschiedlich äußern, etwa in Form einer Ich-Störung, als Wahnvorstellungen, Halluzinationen oder in einem Realitätsverlust. Gemein ist diesen krankhaften Symptomen, dass sie die Wahrnehmung der Betroffenen verzerren.
Ein Realitätsverlust kann verschiedene Formen annehmen, etwa, das Gefühl, fremdgesteuert zu werden oder fremde Gedanken zu denken. Außerdem scheint Cannabis die Grenze zwischen Realität und Gedankenwelt ins Wanken zu bringen.
Eine Studie zeigte, dass häufiger und missbräuchlicher Cannabiskonsum mit psychotischen Erfahrungen korrelierte. Diese Erfahrungen ebbten mit der Reduzierung des Konsums ab [7].
Dabei wird angenommen, dass neben einer genetischen Prädisposition vordergründig der THC-Gehalt des Cannabis eine Rolle spielt. Neue Züchtungen mit extrem viel THC können demnach das Risiko für Psychosen verstärken. Medizinisches Cannabis erreicht solche Extremwerte nicht.
Im Zuge einer Psychose kann es zu einer Wesensveränderung bei Betroffenen kommen. Diese äußert sich mitunter in irrealen oder zwanghaften Ängsten, Schizophrenie, Impulsivität oder aber in Depression und Apathie.
Studien kamen zu dem Schluss, dass ein regelmäßiger Cannabiskonsum das Gewebe im präfrontalen Kortex und der Amygdala schädigen könnte. Diese Bereiche im Gehirn sind für die Impuls- und Gefühlskontrolle sowie die Bewältigung von Angst und Aggression zuständig. Ausschlaggebend für den Grad der Beeinträchtigung war dabei die Dosis.
Bei Betroffenen kann sich die Impulsivität in unüberlegtem Handeln und Sprechen äußern. Menschen mit mangelnder Impulskontrolle werden von ihren Mitmenschen oft als sorglos, riskant oder leichtfertig wahrgenommen.
Eine Studie aus den USA kam zu dem Ergebnis, dass der Cannabiskonsum bei Jugendlichen Angststörungen nach sich ziehen kann. Angst sei bei Jugendlichen normal und entwickle sich normalerweise im Laufe der Zeit zurück. Bei denjenigen Jugendlichen, die regelmäßig Cannabis konsumierten, fanden die Forscher:innen jedoch einen deutlich geringeren Rückgang der Angstsymptome im Vergleich zu den Nichtkonsumenten in derselben Altersgruppe [8].
Solche Ängste äußerten sich meist als soziale Phobie. Hier haben Betroffene Angst vor den Erwartungen anderer Personen oder Kritik an ihrem Auftreten. Menschen, die von einer Angststörung betroffen sind, meiden soziale Situationen. Unter Umständen kann sich eine Angststörung bis zu Panikattacken steigern.
Eine Schizophrenie entwickelt sich mitunter schleichend. Betroffene wirken zu Beginn zurückgezogen, vergesslich, schusselig oder suspekt. Im Zwiegespräch verlieren sie den Faden: sie sprechen unzusammenhängend und springen von einem Thema zum nächsten.
Im späteren Stadium werden psychotische Symptome deutlich, die zum Realitätsverlust führen können. Schizophrenie-Symptome Erwachsener umfassen Halluzinationen, desorganisiertes Denken und Sprechen, Wahnvorstellungen und mitunter bizarres oder unangemessenes Verhalten. Nicht selten leiden Betroffene an Selbstmordgedanken – hauptsächlich dann, wenn die psychotischen Episoden über längere Zeit andauern.
Das amotivationale Syndrom bezeichnet eine Wesensveränderung, die durch mangelnde Motivation und Apathie gekennzeichnet wird. Menschen, die Cannabis oft und in hohen Dosen konsumieren, neigen zu Faulheit, Gleichgültigkeit und Unerreichbarkeit. Eine normale soziale Interaktion mit ihnen ist kaum möglich.
Gleichzeitig zeigen sich Gleichgültigkeit und Antriebslosigkeit auch als Anzeichen schwerwiegender, psychotischer Störungen – etwa einer Schizophrenie oder Depression. Hier sollten keine voreiligen Rückschlüsse auf den Cannabiskonsum gezogen, sondern stattdessen ein Arzt oder eine Ärztin konsultiert werden.
Entgegen der landläufigen Meinung, dass Cannabis Depressionen auslöse, ist es meist umgekehrt. Dem Cannabiskonsum gehen depressive Symptome voraus. Dazu zählen Motivationsverlust, Schlafstörungen, Niedergeschlagenheit, Gefühle der Wertlosigkeit, Schuld oder Einsamkeit, Suizidgedanken oder aber ein erhöhter Konsum stimulierender Substanzen, etwa Alkohol oder Cannabis.
Wenn Betroffene sich selbst mit Cannabis versorgen, um einen vermeintlichen Ausweg aus der Depression zu finden, verstärkt das die Symptomatik. Wer an einer Depression leidet und Interesse an einer Therapie mit Cannabis hat, sollte sich an einen ausgebildeten Arzt oder eine Ärztin wenden. Im Zuge einer Cannabistherapie kann eine Depression mit der richtigen Cannabinoidmischung und Dosierung behandelt werden – natürlich unter ärztlicher Aufsicht und mit Cannabis in pharmazeutischer Qualität.
Der Konsum von Cannabis muss nicht zwingend mit einer Wesensveränderung einhergehen. Ausschlaggebend sind dabei nicht nur die individuelle Veranlagung und das Alter der Konsumenten, sondern vor allem eine fachärztliche Betreuung. Cannabis kann, wenn es richtig angewendet wird, sogar zur Therapie der hier genannten Gesundheitszustände verwendet werden.
Synthetische Cannabinoide werden im Labor hergestellt. Mitunter sind sie in Arzneimitteln mit Cannabis enthalten und unterliegen strengen pharmazeutischen Regulierungen.
Werden synthetische Cannabinoide jedoch nicht auf Rezept bezogen, ist unkontrollierbar, welche Inhaltsstoffe sie tatsächlich enthalten. Ihre Wirkung kann dann unter Umständen psychotische Episoden hervorrufen. Weitere Nebenwirkungen schließen Herzrasen und Nervosität bis hin zu Nierenversagen oder Infarkten ein.
Aufgrund der psychoaktiven Natur von THC sollte Cannabis nicht außerhalb der Aufsicht eines Arztes oder einer Ärztin eingenommen werden. Medizinisches Cannabis kann eine sinnvolle, alternative oder ergänzende Behandlungsform darstellen – wenn es durch geschultes medizinisches Personal verschrieben wird. Ein Arzt oder eine Ärztin können durch die Gabe von Cannabisblüten mit CBD einige der Nebenwirkungen von THC abfedern. Eine sorgfältige Anamnese und der Einbezug der Krankheitsgeschichte und eventueller Vorbelastungen des Einzelnen sind dabei unabdinglich.
Bloomwell steht für den verantwortungsvollen Umgang mit Cannabis als Therapieoption. Erst nach einem medizinischen Screening wird Interessenten mitgeteilt, ob sie für eine Behandlung zugelassen werden können. Der erste Termin findet stets mit einem ausgebildeten Cannabis Arzt oder einer Ärztin an einem von 17 Standorten in Deutschland statt.
Wird ein Interessent oder eine Interessentin für die Cannabistherapie zugelassen, können weitere Termine telemedizinisch wahrgenommen werden – vorausgesetzt, der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin gibt sein oder ihr Okay dafür.
Medizinisches Cannabis konnte bisher erfolgreich zur Therapie einiger körperlicher und geistiger Krankheitserscheinungen angewendet werden. Dazu zählen unter anderem Depressionen, ADHS und Schlafstörungen, aber auch Migräne und chronische Schmerzen. Wenn du Interesse an einer Behandlung mit Cannabis hast, kannst du bei Bloomwell jetzt kostenlos und unverbindlich deine Behandlung anfragen.
Wird Cannabis mit hohem THC-Gehalt aus dubiosen Quellen bezogen und in hohen Dosen eingenommen, kann sein Konsum ernst zu nehmende psychischen Folgen haben. Besonders der Beginn des Konsums im Jugendalter beeinträchtigt die psychische Gesundheit und mentale Leistungsfähigkeit.
Aber auch Erwachsene können von einer Persönlichkeitsveränderung durch Cannabiskonsum betroffen sein – insbesondere, wenn eine genetische Veranlagung für Psychosen besteht. Betroffene zeigen dann Symptome und bilden Krankheiten aus, die von einer gesteigerten Impulsivität bis zur Schizophrenie reichen können.
Aus diesem Grund sollte Cannabis nie außerhalb einer medizinisch beaufsichtigten Therapie erfolgen. In der richtigen Darreichungsform, Dosierung und Cannabinoid-Zusammensetzung kann Cannabis erfolgreich zur Behandlung zahlreicher chronischer Krankheitsbilder verwendet werden.
[2] Niloy N, Hediyal TA, Vichitra C, Sonali S, Chidambaram SB, Gorantla VR, Mahalakshmi AM. Effect of Cannabis on Memory Consolidation, Learning and Retrieval and Its Current Legal Status in India: A Review. Biomolecules. 2023 Jan 12;13(1):162.
[3] Yücel M, Solowij N, Respondek C, Whittle S, Fornito A, Pantelis C, Lubman DI. Regional brain abnormalities associated with long-term heavy cannabis use. Arch Gen Psychiatry. 2008 Jun;65(6):694-701. doi: 10.1001/archpsyc.65.6.694. PMID: 18519827.
[4] Grant I, Gonzalez R, Carey CL, Natarajan L, Wolfson T. Non-acute (residual) neurocognitive effects of cannabis use: a meta-analytic study. J Int Neuropsychol Soc. 2003 Jul;9(5):679-89.
[5] Power RA, et al. Genetic predisposition to schizophrenia associated with increased use of cannabis. Mol Psychiatry. 2014 Nov;19(11):1201-4. doi: 10.1038/mp.2014.51. Epub 2014 Jun 24. PMID: 24957864; PMCID: PMC4382963.
[6] Pasman JA, et al. GWAS of lifetime cannabis use reveals new risk loci, genetic overlap with psychiatric traits, and a causal influence of schizophrenia. Nat Neurosci. 2018 Sep;21(9):1161-1170. doi: 10.1038/s41593-018-0206-1. Epub 2018 Aug 27. Erratum in: Nat Neurosci. 2019 Jul;22(7):1196. PMID: 30150663; PMCID: PMC6386176.
[7] Karcher NR, Barch DM, Demers CH, et al. Genetic Predisposition vs Individual-Specific Processes in the Association Between Psychotic-like Experiences and Cannabis Use. JAMA Psychiatry. 2019;76(1):87–94. doi:10.1001/jamapsychiatry.2018.2546
[7] Duperrouzel, J., Hawes, S. W., Lopez-Quintero, C., Pacheco-Colón, I., Comer, J. & Gonzalez, R. (2018). Thea association between adolescent cannabis use and anxiety: A parallel process analysis. Addictive Behaviors, 78, 107-113.
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