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Mehr Evidenz in der Cannabis-Therapie!

Geschrieben von Dr. Julian Wichmann | 30.11.23 15:16
  • Bloomwell startet Evidenz-Initiative: Volkskrankheit Depression und chronische Neuropathische Schmerzen im Fokus
  • 5 Jahre „Cannabis-als-Medizin-Gesetz“: Zugang zur Cannabis-Therapie
    für Patienten weiterhin problematisch
  • Legalisierung 2.0 – erst medizinische Therapie, nun Freizeitkonsum?
  • Bloomwell Therapiezentren in Münster und Passau eröffnet

Frankfurt/Main, 3. Februar 2022  –  Bloomwell, die bundesweit erste und führende Plattform für eine telemedizinisch unterstützte und evidenz-basierte, ärztliche Behandlung mit medizinischem Cannabis, teilt heute mit, dass sie mit ihrer neuen Evidenz-Initiative ab sofort innovative Wege beschreitet, um die evidenz-basierte Therapie mit medizinischem Cannabis voranzutreiben. Über gezielte Forschungspartnerschaften mit einschlägigen universitären Einrichtungen wird das Frankfurter Unternehmen – selbstverständlich wissenschaftlichen Standards entsprechend anonymisiertes – Datenmaterial zu Patienten in unterschiedlichen Indikationen zur Verfügung stellen, die sich aktuell in einer Behandlung mit medizinischem Cannabis befinden. Die jeweiligen Forschungsteams werden dann die detaillierte wissenschaftliche Auswertung und Beurteilung der individuellen Symptomverbesserung dieser Patienten leisten und anschließend die Arbeit bei medizinisch-wissenschaftlichen Fachzeitschriften zur Veröffentlichung einreichen. Zusätzlich sind auch wissenschaftliche Vorträge zu diesen Forschungsergebnissen auf internationalen Kongressen geplant.

Das erste Forschungsprojekt konzentriert sich auf die Volkskrankheit Depression, von der laut Schätzung des Bundesgesundheitsministeriums ca. 16-20% aller Deutschen mindestens einmal im Leben betroffen sind.[1] Bloomwell stellt dem Lehrkrankenhaus einer Universität in NRW anonymisierte Daten von zunächst 65 Patienten mit ärztlich diagnostizierter chronischer Depression, die sich in einer Cannabis-Therapie befinden, zur wissenschaftlichen Auswertung zur Verfügung. Mit einem weiteren Universitätsklinikum in Norddeutschland steht die Projektplanung kurz vor dem Abschluss. In dieser Kooperation werden anonymisierte Datensätze von zunächst 100 Patienten mit chronischen neuropathischen Schmerzen, bei denen nach zuvor erfolglosen Therapieversuchen die ärztliche Behandlung mit Cannabis deutliche Erfolge zeigte, für eine Forschungsarbeit zur Verfügung gestellt.

„Unsere Pionierrolle als Plattform für eine evidenz-basierte Therapie mit medizinischem Cannabis nehmen wir sehr ernst,“ stellt Dr. med. Julian Wichmann, CEO von Bloomwell, fest. „In diesen gezielten Forschungspartnerschaften sehen wir aktuell eine hervorragende Strategie, die ärztliche Verunsicherung in der Akzeptanz einer vielversprechenden, aber noch nicht überall ausreichend erforschten Therapieform durch neue wissenschaftliche Evidenz zu adressieren. Und dies ist ebenso Ausdruck unseres patienten-zentrierten Ansatzes, der die oft stigmatisierten Patienten in deren Bedürfnis nach besserem Zugang zu einem alternativen, nachweislich wirksamen und sicheren Arzneimittel nachhaltig unterstützt. Auch deshalb planen wir bereits zahlreiche weitere Forschungskollaborationen.“


Zugang zur Cannabis-Therapie für Patienten weiterhin problematisch

Anlass für diese bedeutsame Erweiterung der Strategie von Bloomwell ist die Feststellung, dass auch genau 5 Jahre nach der Legalisierung einer ärztlich kontrollierten Therapie mit Cannabis in Deutschland („Cannabis-als-Medizin-Gesetz“ vom 10. März 2017) die Versorgungslage für Patienten weit hinter dem großen Potential dieser Gesetzgebung zurück bleibt. Nach Schätzungen von Experten verordnen weniger als 2% der deutschen Ärzte überhaupt medizinisches Cannabis, nur wenige Apotheken haben Erfahrungen mit Cannabis Verschreibungen bzw. solche Präparate vorrätig.

In Erhebungen der gesetzlichen Krankenkassen[2] wurden für den Zeitraum Januar bis September 2021 lediglich 262.996 Verordnungen von Cannabis Fertigarzneimitteln registriert, somit dürften in Jahresfrist kaum 350.000 Verordnungen für sämtliche infrage kommende Indikationen erreicht worden sein. Demgegenüber steht eine jährliche Größenordnung von nahezu 16.500.000 Verordnungen von Opioiden[3] – und dieses 47-Fache (!) dürfte sich wohl primär auf die ‚Indikation Schmerzpatient‘ beziehen. Bei einem Blick auf individuelle Schicksale von Patienten zeigt sich ganz deutlich: Die zum Teil deutlich schonendere, weil nebenwirkungsärmere, und oft sehr effiziente Therapie mit medizinischem Cannabis kommt nicht in ausreichendem Maße zum Tragen.

Legalisierung 2.0 - erst medizinische Therapie, nun Freizeitkonsum?

Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag das Vorhaben verankert, in dieser Legislaturperiode Cannabis auch für den Freizeitkonsum legalisieren zu wollen. Als Experten für die medizinische Cannabis-Therapie fordert Bloomwel, Erfahrungen und Lehren aus dem Legalisierungsprozess für die medizinische Therapie nun unbedingt bei diesem neuen Vorhaben zu berücksichtigen. So gilt es beispielsweise sicher zu stellen, dass die fachliche Qualifikation beim zukünftigen Verkaufspersonal in Apotheken und ggfs. Fachgeschäften durchgängig hoch ist und somit mögliche gesundheitliche Risiken für den Käufer durch eine gezielte Aufklärung und Beratung minimiert werden können.

Vor allem dürfen aber auch die bereits existierenden Versorgungsdefizite und -probleme in der medizinischen Therapie zukünftig nicht weiter ignoriert werden. Dr. Wichmann stellt hierzu fest: „Der Patient steht oft immer noch nicht im Mittelpunkt der medizinischen Cannabis-Therapie: Es gibt klare Defizite im Zugang der Patienten zu erfahrenen Ärzten und somit dem Medikament. Gleichzeitig sind Lieferengpässe und Qualitätsschwankungen in Apotheken weiterhin ein signifikanter Mangel, der große Fragen hinsichtlich einer möglichen Produktverfügbarkeit im Zuge einer Legalisierung für den Freizeitkonsum aufwirft.“

Offensichtlich ist die durch die Legalisierung der medizinischen Nutzung von Cannabis in 2017 vom Gesetzgeber beabsichtigte bessere Versorgungslage chronischer Patienten in den fünf zurückliegenden Jahren noch keineswegs erreicht worden. Da drängen sich neben der immer noch herrschenden gesellschaftlichen Stigmatisierung sowie der Verunsicherung der Ärzte im Hinblick auf diese Behandlungsoption weitere strukturelle Fragen nach den Ursachen auf:

  • Ist es nicht widersprüchlich, wenn der Gesetzgeber eine besonders hohe Verschreibungshürde durch die Verordnung mittels BtM-Rezept selbst für Cannabis-Präparate mit minimalem Gehalt an psychoaktiven Substanzen (z.B. mit 0,1% THC) aufrecht erhält, während eine Legalisierung von Cannabis mit einem weitaus höheren Gehalt für den ärztlich unkontrollierten Freizeitkonsum erwägt wird?
  • Und warum verhindert der Gesetzgeber damit auch eine bessere Versorgung von oft chronischen Patienten, die ganz zeitgemäß digital und damit deutlich einfacher Verordnungen von medizinischem Cannabis über ein ‚eRezept‘ bei spezialisierten Versandapotheken einreichen könnten? Stattdessen müssen BtM-Rezepte weiterhin im Original in Apotheken vorliegen, bevor ein Präparat abgegeben kann.
  • Oder warum sind Ordnungsbehörden und Polizeibeamte nur selten über die durchaus mögliche Vereinbarkeit einer medizinischen Cannabis-Behandlung mit dem Führen eines Fahrzeugs explizit geschult? Müsste es gar einen speziellen Führerschein-vermerk für Patienten einer solchen Therapie geben? Die Schwierigkeiten im Alltag gerade im Hinblick auf ihre Verkehrstüchtigkeit und damit Mobilität stellt chronische Patienten mit ihrer Cannabis-Therapie immer noch vor vielfältige Herausforderungen, die endlich aus dem Weg geräumt werden müssen.

Netzwerk an Therapiezentren gezielt ausgeweitet

Um das bundesweite Therapieangebot für Patienten nachhaltig zu verstärken, baut Bloomwell das eigene Netzwerk an spezialisierten Therapiezentren gezielt aus: Bereits am 15. Januar wurde in Münster ein weiteres Therapiezentrum in der Alten Dorfstraße 3 eröffnet. Anfang Februar kam jetzt im bayrischen Passau das insgesamt 20. Bloomwell Therapiezentrum dazu, hier in der Emil-Brichta-Straße 3.

Somit ist nun seit der Öffnung des ersten Therapiezentrums in Frankfurt am Main am 15. Oktober 2020 in wenig mehr als 15 Monaten ein bundesweit nahezu flächendeckendes Netzwerk mit folgenden 20 Standorten entstanden: Frankfurt/Main, München, Berlin, Köln, Hamburg, Stuttgart, Nürnberg, Leipzig, Karlsruhe, Regensburg, Kassel, Hannover, Saarbrücken, Konstanz, Augsburg, Dortmund, Würzburg, Freiburg, Münster und Passau. Dies ist für eine effiziente Versorgung von Patienten deshalb von großer Bedeutung, da nach der initialen Patientenregistrierung über die Internet-Plattform ‚www.bloomwell.de‘ das notwendige Erstgespräch mit dem behandelnden Arzt vor Ort persönlich stattfinden muss. Danach kann jedoch – sofern ärztlich vertretbar – die weitere Therapie mittels Video-sprechstunde erfolgen.

 

Quellenangaben

[1] Müller A. & Karkowsky S. (2021). „Es gibt keine Argumente mehr für die Prohibition“. Legalisierung von Cannabis. Andreas Müller im Gespräch mit Stephan Karkowsky: In: Deutschlandfunk Kultur.
 
[2] Müller A. & Karkowsky S. (2021). „Es gibt keine Argumente mehr für die Prohibition“. Legalisierung von Cannabis. Andreas Müller im Gespräch mit Stephan Karkowsky: In: Deutschlandfunk Kultur.
 
[3] Müller-Vahl, K. R., & Grotenhermen, F. (2020). Cannabis und Cannabinoide: in der Medizin. MWV.
 
[4] Delvaux de Fenffe G. Hanf - Pflanzen. In: Planet Wissen.