Seit 2017 können Ärzte medizinisches Cannabis verschreiben. Voraussetzung hierfür ist, dass der Patient an einer chronischen Erkrankung leidet, bei der herkömmliche Therapien bereits ohne Erfolg durchgeführt worden sind und für die aus verschiedensten Gründen keine andere Behandlung mehr infrage kommt. Wenn die Behandlung mit medizinischem Cannabis aus nachvollziehbaren Gründen Aussicht auf eine Linderung der Beschwerden verspricht, darf ein entsprechendes Rezept ausgestellt werden. Dies ist vor allem bei chronischen Schmerzen, häufig aber auch bei Migräne und Schlafstörungen sowie psychischen Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen oder ADHS der Fall.
Chronische Schmerzen sind einer US-amerikanischen Studie zufolge der Hauptgrund für die Verwendung von medizinischem Cannabis [1]. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Studien, die sich mit der Wirkung von Cannabis auf Schmerzen beschäftigt haben – mit teilweise sehr positiven Ergebnissen [2], teilweise aber auch widersprüchlichen Befunden, wie einige Übersichtsarbeiten zeigen [3, 4]. Ein Problem hierbei ist die mangelnde Vergleichbarkeit der Studien, denn viele Untersuchungen nutzen unterschiedliche Dosierungen und Darreichungsformen an verschiedenen Patientengruppen und messen ihre Ergebnisse auf unterschiedliche Weise [5]. Angesichts der zunehmenden Etablierung von medizinischem Cannabis bei der Behandlung chronischer Schmerzen und der zahlreichen positiven Erfahrungsberichte von Betroffenen besteht hier noch ein dringender Forschungsbedarf.
Warum Cannabis oder genauer gesagt, die enthaltenen Wirkstoffe (Cannabinoide) Schmerzen lindern können, ist bislang noch nicht eindeutig geklärt. Studien haben gezeigt, dass die Schmerzschwellen durch Cannabis nur geringfügig erhöht werden, deshalb sind sie kein Analgetikum im eigentlichen Sinn [6]. Mediziner vermuten, dass möglicherweise die Übertragung von Schmerzimpulsen gehemmt wird oder das Wohlgefühl, das Cannabis erzeugt, die Schmerzen erträglicher macht und sie dadurch als weniger stark wahrgenommen werden [7], was die Lebensqualität der betroffenen Patienten bereits spürbar verbessern kann. Als mögliche Einsatzgebiete nennt die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. deshalb vor allem chronische Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen) und anhaltende Muskelverkrampfungen bei Multipler Sklerose [8].
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Wissenschaftliche Studien zeigen, dass der Konsum von medizinischem Cannabis die Häufigkeit und die Schmerzintensität von Migräne-Anfällen verringern kann [9]. Nach eigenen Angaben der Patienten verringert sich der Schweregrad der Kopfschmerzen bei der Inhalation von Cannabis um etwa 50 % [10]. Die Wirkung scheint im Laufe der Zeit nachzulassen, was zu einer Steigerung der Dosierung führt. Hierbei ist jedoch Vorsicht angebracht, da Überdosierungen zu unangenehmen Folgekopfschmerzen führen können [11]. Mediziner empfehlen deshalb, mit niedrigen Dosierungen zu beginnen und diese nur bei Bedarf in kleinen Schritten zu erhöhen.
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Schlafstörungen können die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit erheblich einschränken, deshalb ist eine zeitnahe und möglichst nebenwirkungsarme Behandlung von großer Bedeutung. Cannabis gilt grundsätzlich eher als schlaffördernd, was vor allem auf das darin enthaltene Tetrahydrocannabinol (THC) zurückzuführen ist. Dieses Cannabinoid ist psychoaktiv und damit verantwortlich für den sogenannten Rauschzustand, den man bei der Anwendung von Cannabis erleben kann. Anders als das eher aktivierende CBD scheint THC einen eher sedierenden Effekt zu haben, der die Müdigkeit verstärkt und damit das Einschlafen fördert [12].
Wichtig bei der Anwendung von Cannabis zur Behandlung von Schlafstörungen ist die Einnahmezeit. Experten empfehlen die Einnahme mindestens eine Stunde vor dem Zubettgehen, um die optimale Wirkung zu erzielen, ohne dass Sie sich am nächsten Tag schläfrig und benommen fühlen. Ob, wann und wie das medizinische Cannabis wirkt, ist jedoch individuell sehr unterschiedlich und wird nach ärztlicher Prüfung individuell entschieden.
➜ Weitere Informationen zu Cannabis bei Schlafstörungen.
Die Befundlage wissenschaftlicher Studien zur Wirksamkeit von Cannabis in der Behandlung von Angststörungen und Depressionen ist gemischt und die Studienergebnisse oft abhängig von der Art und Dosierung der Anwendung. So scheint das in Cannabis enthaltene THC keine akuten Effekte auf Angstzustände zu zeigen [13], bei einer langfristigen Einnahme aber die Angst zu verringern [14].
Bei der Wirkung auf Depressionen scheint es ebenfalls auf die Zusammensetzung der Wirkstoffe anzukommen. So zeigten sich in einer Studie die größten Effekte (das heißt, die größte Verbesserung der depressiven Symptomatik) bei Cannabis mit niedrigem THC- und CBD-Gehalt [15]. Hierbei scheint vor allem das Cannabinoid CBD eine antidepressive Wirkung zu besitzen, was womöglich an seiner Fähigkeit liegt, mit verschiedenen Neurotransmittersystemen zu interagieren, die mit Depressionen zu tun haben [16]. Dafür sprechen auch die Ergebnisse einer aktuellen Studie, in der US-amerikanische Forscher herausfanden, dass der Konsum von Cannabis mit einem verbesserten Schlaf, weniger Schmerzen und einer geringeren depressiven Symptomatik und verringerter Angst verbunden war [17].
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Die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) ist gekennzeichnet durch ausgeprägte Probleme bei der Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit, die mit einer gesteigerten Impulsivität und in den meisten Fällen auch einer Hyperaktivität einhergeht. Daraus ergeben sich für die Betroffenen im Alltag viele verschiedene Probleme, die durch die Wirkung der in Cannabis enthaltenen Cannabinoide THC und CBD gelindert werden können. Vor allem in Betroffenenforen gibt es eine Reihe von Erfahrungsberichten, in denen Personen mit (ADHS) von positiven Wirkungen von Cannabis auf ihre Symptome und Beschwerden berichten [18]. Auch einzelne Fallberichte und wissenschaftliche Studien beschreiben eine Linderung der Symptome [19], unter anderem eine Verbesserung der krankheitsbedingten niedrigen Frustrationstoleranz, eine Verringerung von Wutausbrüchen und eine Linderung von Konzentrationsproblemen und Gefühlen der Langeweile [20].
Wichtig: Die Vorteile von Cannabis bei ADHS betreffen ausschließlich Erwachsene. Die in Cannabis enthaltenen Wirkstoffe können die Hirnentwicklung und kognitiven Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen im Wachstum nachhaltig beeinträchtigen [21], deshalb ist eine Anwendung vor dem 25. Lebensjahr nur in schweren Fällen mit intensiver Therapiebegleitung ratsam.
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