By: Dr. Julian Wichmann 24.01.24 09:17
Depression ist eine der häufigsten mentalen Erkrankungen in der westlichen Gesellschaft. Jede fünfte in Deutschland lebende Person hatte in ihrem Leben bereits eine depressive Episode. Zu unterscheiden sind dabei Phasen von Deprimiertheit und die klinische Diagnose der Major Depression. Phasen in denen man sich niedergeschlagen und lustlos fühlt, kennen die meisten Menschen. Bei einer klinischen Depression sind die Symptome tiefgreifender und langanhaltender. Neben Niedergeschlagenheit berichten Patient:innen von Antriebslosigkeit und dem Verlust von Interesse an Dingen, die ihnen sonst Freude bereiten. Depression wird typischerweise mit Psychotherapie und gleichzeitiger Medikamentengabe behandelt. Die häufigsten verschriebenen Medikamente gehören zu der Gruppe der Antidepressiva, deren Wirkung sich durch die Bindung an monoaminerge Rezeptoren entfaltet. Monoaminerg werden Nervenzellen benannt welche Neurotransmitter wie beispielsweise Dopamin, Noradrenalin und Serotonin freisetzen. Serotonin wird umgangssprachlich auch als Glückshormon bezeichnet. Es beeinflusst die Schmerzwahrnehmung, den Schlaf-Wach-Rhythmus und das Ess- und Sexualverhalten. Bei Depressionen ist die Konzentration dieses Hormons im Gehirn verändert und kann somit die depressiven Symptome beeinflussen. Daher wird bei der medikamentösen Behandlung besonders auf die serotonerge Wirkung geachtet. Ein weiteres Hormon, welches bei Depression eine Rolle spielt, ist Noradrenalin, auch Stresshormon genannt. Vereinfacht beschrieben leitet dieser Botenstoff Informationen im Gehirn weiter und eine veränderte Konzentration von Noradrenalin im Gehirn kann zu erhöhtem Stress führen, durch die Aktivierung des Stresssystems des Körpers.
Die schulmedizinischen Medikamente bringen jedoch auch Nebenwirkungen, wie beispielsweise Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme, innere Unruhe und Störungen der Sexualität mit sich. Außerdem schlagen die klassischen Antidepressiva nicht bei jeder Patientin / jedem Patienten wie gewünscht an. Daher wird stetig nach neuen Behandlungsmethoden geforscht. Aufmerksamkeit wurde dabei in den letzten Jahren vermehrt auf Cannabidiol (CBD) gelegt. Neben der bereits erforschten schmerzlindernden Wirkung erwarten Forscher:innen einen antidepressiven Effekt von der Einnahme von CBD. Es wird vermutet, dass die antidepressive Wirkung von CBD über das serotonerge System gesteuert wird.
Das Forschungsteam um Amanda Sales, der School of Medicine of Ribeirão Preto, University of São Paulo, Ribeirão Preto, in Brazilien, führte 2018 eine Studie mit Mäusen durch, um den antidepressiven Effekt von CBD zu untersuchen. Ziel der Studie war es herauszufinden, ob klassische Antidepressiva zusammen mit CBD eine sich gegenseitig fördernde Wirkung haben. Dies würde zeigen, dass die Wirkweise von CBD ähnlich der Wirkweise von klassischen Antidepressiva ist. Ein weiteres Ziel war es herauszufinden über welche Wirkmechanismen CBD einen antidepressiven Effekt hat. Dies ist besonders wichtig, um zu verstehen wann CBD eingesetzt werden sollte und bei welchen Symptomen und Personen es hilfreich sein kann.
Um die Wirkung von CBD zu untersuchen, wurde ein Tierexperiment mit 306 Mäusen durchgeführt. Den Mäusen wurde vor dem Experiment entweder ein serotonerges Medikament (Fluoxetine, FLX), ein noradrenerges Medikament (Desipramine, DES) oder CBD injiziert. Dabei wurden ineffektive (zu geringe) Dosen und effektive (wirksame) Dosen verwendet. Um die Depressivität der Mäuse zu messen, wurde der ‘Forced Swim Test’ (FST) verwendet. In dieser Untersuchung wurden die Tiere in einen mit Wasser gefüllten 10cm hohen Zylinder gegeben. Die Zeit, in der die Tiere nicht schwimmen, sondern unbeweglich waren, wurde als Maß der Depressivität genommen. Die Unbeweglichkeit kann mit dem Symptom der Lähmung und Hoffnungslosigkeit der Depression gleichgesetzt werden. Die Immobilität wurde von den Forschenden anhand der Bewegungen im Wasser eingeschätzt. Bewegungen aller 4 Pfoten wurde als schwimmen bewertet, nur leichte Bewegungen wurden als treibend eingeschätzt und bewegungslos wurde als Immobilität eingestuft.
Im ersten Durchlauf wurde den Mäusen entweder eine effektive oder ineffektive Dosis des jeweiligen Medikaments gegeben (CBD 3/7/10 mg/kg; FLX 1,5/10 mg/kg; DES 2,5/5 mg /kg). Danach wurden sie für 6 Minuten dem Forced Swim Test ausgesetzt. Untersucht wurde der Unterschied zwischen den Mäusen, die eine effektive Dosis und eine ineffektive Dosis des Medikaments bekamen und der Unterschied zwischen den verschiedenen effektiven Medikamenten.
Bei den unwirksamen Dosen des Medikaments haben die Tiere kein verändertes Verhalten gezeigt. Wie zu erwarten, hatte die höhere (wirksame) Dosis zu einer Veränderung des Verhaltens der Mäuse beim FST geführt. Die Zeit, in der sie unbeweglich im Wasser waren, verringerte sich bei den Mäusen mit wirksamer Dosis. Neben der bereits bekannten Wirkung der Antidepressiva konnte ebenso bei CBD ein signifikanter Rückgang der Unbeweglichkeit beobachtet werden. Damit ist von einem antidepressiven Effekt, der den klassischen Antidepressiva ähnelt, auszugehen. Die Immobilität wurde von den Forscher:innen auf die Symptome der Antriebslosigkeit und Lähmung bei Depressionen bezogen. Bei einer Depression fühlen sich die Betroffenen oft wie gelähmt und unfähig die einfachsten Dinge auszuführen. Zudem kommt eine Lustlosigkeit und das Gefühl den Antrieb verloren zu haben. Diese Symptome zeigen sich bei den Mäusen, indem sie nicht weiter versuchen zu schwimmen, sondern nur noch unbeweglich im Wasser treiben.
In der zweiten Runde wurden den Mäusen ineffektive Dosen eines klassischen Antidepressivums mit ineffektiven Dosen von CBD gespritzt. Die Forscher:innen wollten herausfinden, ob die unwirksamen Dosen der verschiedenen Medikamente gemeinsam eine Wirkung erzielten. Tatsächlich bewegten sich die Mäuse mit ineffektiver Dosis CBD plus ineffektiver Dosis eines serotonergen Antidepressivums, also wirksam im Serotonin-System, mehr. Bei der Gabe von zu geringen Dosen CBD und zu geringen Dosen des noradrenergen Antidepressivums, veränderten die Mäuse ihr Verhalten nicht. Daraus ist zu schließen, dass die antidepressive Wirkung von CBD mit dem Glückshormon Serotonin zusammenhängt. Diese Ergebnisse lassen eine ähnliche Wirkweise von CBD und klassischen Antidepressiva vermuten.
Cannabidiol als neuartiges Medikament zur Behandlung von psychischen Erkrankungen wird seit einigen Jahren erforscht. Neue Studien zeigen, dass CBD einen antidepressiven Effekt hat. Es wird vermutet, dass dieser Effekt durch die Bindung an Serotonin-Rezeptoren verursacht wird. Das Glückshormon Serotonin spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Behandlung von Depressionen. In dieser Studie zeigten die Forscher:innen, dass CBD einen ähnlichen antidepressiven Effekt hat, wie bereits verwendete antidepressive Medikamente. Außerdem wirkten geringe Dosen von CBD und Antidepressiva, die einzeln verabreicht keine Wirkung hatten , wenn sie zusammengegeben wurden, antidepressiv.
In der bisherigen Forschung wurden bereits wichtige Erkenntnisse zur Verwendung von CBD-haltigem Cannabis bei Depressionen erlangt. Für die Zukunft ist es interessant die gemeinsame Wirkung von CBD und Antidepressiva genauer zu betrachten. Denn durch geringere Dosen der Antidepressiva könnten unerwünschte Nebenwirkungen zurück gehen und somit das Wohlbefinden der Patient:innen gesteigert werden.
Cannabidiol, besser bekannt unter seiner Abkürzung CBD, gehört zu den sogenannten Cannabinoiden. In...