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Cannabis und Psyche – welche Effekte haben THC & CBD?

Geschrieben von Dr. Julian Wichmann | 29.11.23 12:29

Die positiven Eigenschaften von medizinischem Cannabis auf die Psyche von Patient:innen haben sich anhand starker Hinweise nahe legen lassen. Häufig wurde bei diesen Gruppen eine Verbesserung beobachtet, da der Einsatz von bspw. Cannabis in der Schmerztherapie die Lebensqualität der Cannabis-Anwender durch eine Reduktion ihrer Symptome steigern könnte [1]. Auch Patient:innen mit Angststörung könnten von Cannabis profitieren, da Cannabidiol (CBD) nicht-psychoaktiv, sondern anti-depressiv sein kann und bei der Behandlung von Psychosen helfen würde [2,3]. Doch immer noch bestehen Unsicherheiten über Folgen und über den Einsatz von Cannabis bei psychischen Erkrankungen.

Im folgenden Beitrag erfährst du, warum es einen wesentlichen Unterschied zwischen Cannabis-Präparaten und deren Wirkungen auf die Psyche gibt und aus welchen Gründen geläufige Missverständnisse entstehen.



 

Cannabis und Folgen für die Psyche:
Breites Spektrum mit vielen Missverständnissen

Spätestens seit die neue Koalition eine Legalisierung bzw. Entkriminalisierung unter kontrollierter Abgabe verspricht, meldete sich vor allem das psychoaktive Cannabinoid THC in der gesellschaftlichen Betrachtung. In fachärztlichen Kreisen wird die differenzierte Wirkung des Cannabinoid-Spektrums zwischen THC und CBD bereits länger erforscht und bewertet, so auch das Psychose-Risiko bei der Anwendung von Cannabis. Doch überstrahlen die Debatten um den freizeitlichen Konsum und die dabei erwogenen Risiken von Cannabis für die Psyche die medizinischen Forschungsergebnisse und Patientenberichte über eine kontrollierte Cannabis-Einnahme. Beide letzteren berichten dabei über den Mehrwert von Cannabis als schmerzmilderndes oder entzündungshemmendes Medikament. Denn für bestimmte Patientengruppen kann Cannabis eine psychische Entlastung darstellen und mit einer Steigerung der Lebensqualität einhergehen [4], sodass die Einnahme anderer Medikamente dadurch verringert oder teilweise ersetzt werden könnte [5,6]. Die ärztliche Anweisung in der Cannabis-Anwendung ist dabei aufgeklärt, um dem Risiko für eine Psychose entgegenzuwirken, anders als beim unkontrollierten Cannabiskonsum.

Wie es so häufig in pressepotenten Kontroversen passiert, kursiert in den Medien daher ein Fokus auf den negativen Effekten von Cannabiskonsum auf die Psyche. Gemeint ist dabei häufig aber nicht Cannabis als Medikament. Prominent dargestellte Untersuchungen schließen eher Straßen-Cannabis ein, also Präparate aus dem Schwarzmarkt, deren substanzielle Zusammensetzung aufgrund von Streckmitteln so gut wie nie bekannt und hochgradig gesundheitsschädlich sein kann. Bestimmte beigefügte und hochpotente Wirkstoffe, wie synthetische Cannabinoide, bergen dabei ein komplexes Risiko, Psychosen auszulösen [7]. Freizeitlicher, unkontrollierter Cannabiskonsum ist im Kern von der ärztlichen Begleitung mit medizinischem Cannabis deutlich abzugrenzen.

 

Cannabis ist schlecht für die Psyche?
Überstrahlungseffekt durch die Medienkontroverse

In einigen Artikeln lassen sich Hinweise zu „Cannabiskonsum und Depressionen“, Psychosen oder Schizophrenie finden, diesen mangelt es aber an einer entscheidenden und differenzierten Betrachtung: Ohne ärztliche Begleitung handelt es sich nicht um einen medizinischen Nutzen von Cannabis. Die therapeutische Wirksamkeit ist nur erheblich, wenn die Dosierung der medizinischen und kontrollierten Präparate unter fachlicher Hand geleitet wird. Dabei werden Entscheidungen nur auf Grundlage von validen Studien begründet, die sich ausschließlich mit dem medizinischen Nutzen beschäftigen und speziell an den Erkrankungen der Patient:innen orientieren. Das Risiko für eine Psychose sollte im Vorfeld durch ein umfängliches, medizinisches Screening beleuchtet werden. Genau wie bei anderen verschreibungspflichtigen Medikamenten erfordert ein Psychose-Risiko oder entsprechende Veranlagungen eine genau dosierte Medikation und die richtigen Wirkstoffe, bei denen das psychoaktive THC die Cannabis-Medikation nicht alleinig bestimmt. Viele der für eine cannabisbasierte Therapie in Frage kommenden Erkrankungen berufen sich auf das zu THC funktionell antagonistische Cannabinoid CBD, welches nicht dafür bekannt ist, Psychosen auszulösen. Im Gegenteil, CBD wirke laut Studien angsthemmend bzw. anti-psychotisch und solle sich für den therapeutischen oder begleitenden Einsatz bei der Behandlung von Psychosen sogar bewähren [3]. Eine Generalisierung, dass Cannabis ein Auslöserisiko für eine Psychose grundsätzlich erhöhe, ist durch Studien daher nicht belegbar.

Unterschiedliche Effekte auf Psyche:
Straßen-Cannabis-Konsum und die ärztliche Dosierung mit medizinischem Cannabis

Andere Betrachtungen zum Konsum von Schwarzmarkt-Cannabis trenden beispielsweise aufgrund der jährlichen Drogen- und Suchtberichte [8], in denen von einem steigenden Anteil an Freizeit-Konsum unter Jugendlichen berichtet wird. Auch verallgemeinern diese Artikel den durchschnittlich steigenden Tetrahydrocannabinol (THC)-Gehalt von Cannabis, je nach Präparat, von 6,8 Prozent bis über 20 Prozent [9], obwohl es sich bei den Untersuchungen lediglich um Schwarzmarkt-Cannabis handelt. Diese hochpotenten, unkontrolliert dosierten Präparate könnten die Freizeit-Konsumenten gefährden.

In welchem direkten Zusammenhang dieses hochpotente auf THC-gezüchtete Cannabis aber mit Psychosen und irreversiblen kognitiven Schäden steht, ließe sich nur anhand weniger Untersuchungen vermuten, von denen keine Langzeitstudien sind. Die Evidenz legt jedoch nahe, dass Entwicklungseinbußen für die jugendliche Psyche entstehen, wenn ein unkontrollierter Freizeit-Konsum mit hochpotentem Cannabis über einen längeren und regelmäßigen Zeitraum stattfindet. Ein weiteres Kriterium sei dabei, wie früh die Probanden bei ihrem freizeitlichen Cannabiskonsum angefangen haben, auf gefährliche Schwarzmarkt-Präparate zurückzugreifen. Studien über die kognitive Leistungsfähigkeit und medizinischem Cannabis jedoch könnten den bisherigen, generalisierten Beobachtungen zum Psychose-Risiko und Cannabis differenziert widersprechen [10].

Eine Therapie für Jugendliche ist trotz der Studienlage weiterhin möglich, unterliegt nur sehr strengen Regulatorien, denen sich die spezialisierten Ärzte bewusst sind. Schließlich werden alle Patient:innengruppen nicht mit Schwarzmarkt-Präparaten versorgt. Ohne ärztliche Absprache dürfen Jugendliche und junge Erwachsene auch nicht mit CBD therapiert werden [11].

Positiver Einfluss von Cannabis auf Psyche bei Therapieresistenz

Für einige Menschen ist kontrolliert angebautes und ausgegebenes medizinisches Cannabis eine Alternative, wenn andere Behandlungsversuche auf eine therapieresistenten Schmerz- und Erkrankungssymptomatik schließen oder sogar zu diesem Stadium führten. Anders gesagt, darf nur unter diesen diagnostischen Voraussetzungen, seit dem „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ (März 2017), Cannabis in die Behandlung einfließen. Das Spektrum an dafür in Frage kommenden Erkrankungsbildern wächst zusammen mit der Evidenz, an die sich die Forschung zunehmend heranzuwagen versucht. Abseits von Studienergebnissen berichten Cannabis-Patienten und deren Angehörige von den symptommildernden Vorteilen und wie sich in diesen Fällen Cannabis positiv auf die Psyche auswirkt. Artikel, in denen Cannabis generalistisch als „gefährliche Freizeit-Droge der Jugendlichen“ und mit einem grundsätzlichen Psychose-Risiko verpöhnt wird, schadet somit dieser bereits belasteten Patient:innengruppe, da sie entweder an dem negativen Image leiden oder sie verunsichert werden.

Auch die gesetzlichen Krankenkassen zögern bei der Kostenübernahme von cannabisbasierten Therapiemodellen, da die Wirkung von individueller ärztlicher Begleitung und die steigende Kompetenz führender Experten bisher unterschätzt wird.

Die Wirksamkeit bei einer Vielzahl an Erkrankungen ließ sich anhand von Real-World-Data erheben. Dabei handelt es sich also um Quellen, die nicht aus traditionellen klinischen Studien bestehen, sondern beispielsweise aus validierten Fragebögen. In einer kanadischen Studie aus 2021 berichteten mehr als 60 % der befragten Medizinalcannabis-Patient:innen von einer Verbesserung ihrer Symptome. Bei dem befragten Teil an chronischen Schmerzpatienten ließ sich auch eine Steigerung der Lebensqualität feststellen, sodass Cannabis auf die Psyche durchaus positive Effekte haben kann [12].

Wirkspektrum von Cannabinoiden auf Psyche und Erkrankungen

So lassen sich Isolate und Präparate mit CBD nicht nur bei körperlichen, sondern auch psychischen Störungen einsetzen; erfolgreich, wie die Angstsymptomatik-Patient:innen der kanadischen Studie in der Mehrheit berichten. Vor allem CBD scheint eine antidepressive Wirkung gegenüber dem psychoaktiven THC zu haben und wäre damit ein relevanter Forschungskandidat zum Ausbau der Evidenz rund um die Wirkung von Cannabis auf die Psyche.

Neben den direkten Einflüssen von Cannabis auf die Psyche und die Schmerzsympomatik der Patient:innen haben die Einflüsse der CBD- und THC-haltigen Medikamente auch einen aufbauenden Charakter. So berichten Studien zu Cannabis bei Morbus Crohn von einem möglicherweise reduzierten Risiko bei Operationen. Damit könnten sich sowohl die Patient:innen als auch die Ärzte auf ein angenehmeres Behandlungsklima einstellen [13]. Das Thema Cannabis und Psyche kann also nicht nur den Effekt der Cannabinoide auf das Nervensystem erklären, sondern auch das allgemeine Mindset bei der Einnahme von Medikamenten stärken. In einer Studie zur Wirksamkeit von Cannabis in der Palliativmedizin wird empfohlen, dass es nur einen praktischen Einsatz findet, wenn Patient:innen bereits einen freizeitlichen Bezug zu Cannabinoiden hatten [14]. Aufgrund der Stigmatisierung und gesellschaftlichen Kriminalisierung von Cannabis-Patient:innen liegt der Schluss daher nahe, Patient:innen seien grundsätzlich nicht an der Wirksamkeit von Cannabis-Präparaten zur psychischen Entlastung interessiert. Läge der evidente Fokus auf ebendieser Wirksamkeit und würde den positiven Berichten therapierter Cannabis-Patient:innen ein größeres Gehör geschenkt, ließen sich vermutlich qualifiziertere Einschätzungen zur Bereitschaft von Patient:innen treffen.

Cannabis und seine Langzeitfolgen in der Gesellschaft

Neben den bereits dargelegten Folgen von unsachgemäßer Verwendung von Cannabis-Präparaten entstehen im Rahmen des gesellschaftlichen Umgangs verschiedene Langzeitszenarien für das Mindset einer cannabisoffenen Gesellschaft. Diese Szenarien sind für den medizinischen Nutzen und seine Patient:innen von Bedeutung, da sie unter dem vorherrschenden Bild von Cannabis leiden oder profitieren. Bei einer Legalisierung von Cannabis sollte daher beachtet werden, dass der Unterschied zwischen medizinischem Cannabis und dem Freizeit-Konsum klar abzugrenzen ist, um Patient:innen deren Sicherheitsempfinden im Umgang mit der Medikation und deren Psyche auch dann stärker zu schützen. Auch sollten die gewonnenen Steuereinnahmen dann aus dem Verkauf von Cannabis in Präventions- und Beratungsmaßnahmen investiert werden, um Freizeit-Konsumenten vor den Gefahren unkontrollierter Dosierungen oder verunreinigter Präparate zu schützen. Um die Evidenz für eine bessere Abgrenzung zwischen freizeitlichem Cannabiskonsum und einer Therapie mit THC auf Rezept auszubauen, könnten einige dieser Gelder in eine bessere Struktur der medizinischen Versorgung und der Forschungslage fließen.

 

Quellenangaben

[1] Sexton M, Cuttler C, Finnell JS, Mischley LK. A Cross-Sectional Survey of Medical Cannabis Users: Patterns of Use and Perceived Efficacy. Cannabis Cannabinoid Res. 2016 Jun 1;1(1):131-138. doi: 10.1089/can.2016.0007. PMID: 28861489; PMCID: PMC5549439.
 
[3] Chesney E, Oliver D, McGuire P. Cannabidiol (CBD) as a novel treatment in the early phases of psychosis. Psychopharmacology (Berl). 2021 Jul 13. doi: 10.1007/s00213-021-05905-9. Epub ahead of print. PMID: 34255100.
 
[13] Naftali T, Lev LB, Yablecovitch D, Half E, Konikoff FM. Treatment of Crohn's disease with cannabis: an observational study. Isr Med Assoc J. 2011 Aug;13(8):455-8. Erratum in: Isr Med Assoc J. 2011 Sep;13(9):582. Yablekovitz, Doron [corrected to Yablecovitch, Doron]. PMID: 21910367.