By: Dr. Julian Wichmann 23.01.24 12:22
Medizinisches Cannabis zeigte bereits in vielen klinischen Studien eine schmerzlindernde Wirkung bei gleichzeitig geringem Auftreten von Nebenwirkungen. Ein Großteil der Schmerzerkrankungen in der Bevölkerung beruht auf muskuloskelettalen Schmerzen (Schmerzen, die von Muskeln, Knochen oder Gelenken ausgehen). Darunter ist Arthritis eine besonders häufig auftretende Erkrankung des Bewegungsapparates, aufgrund derer Patient*Innen eine Therapie ihrer Schmerzen ersuchen. Melissa O’Brien und ihr Team der Abteilung für Pharmakologie und Anästhesiologie der Dalhousie Universität in Halifax, Kanada, untersuchten daher die Wirksamkeit von medizinischem Cannabis speziell zur Behandlung von Arthritis und Gelenkschmerzen.
PatientInnen mit Arthritis leiden vor allem unter Schmerzen, die sowohl chronisch als auch intermittierend (teils unterbrochen) verlaufen können. Die Schmerzen bei Arthritis können aufgrund verschiedener Mechanismen im Körper entstehen: entzündlich (aufgrund von Entzündungsprozessen innerhalb der Gelenke), nozizeptiv (aufgrund der Aktivierung von Schmerzzentren im Gehirn) und neuropathisch (entsteht durch die Beteiligung verletzter Nervenfasern). Diese unterschiedlichen Schmerzmechanismen erschweren bislang eine geeignete Behandlung der Symptome und gehen häufig mit erheblichen Nebenwirkungen einher. Klassischerweise werden zur Behandlung von Arthritis entzündungshemmende Medikamente oder Opioide verschrieben, die sowohl die Entzündungsreaktion im Gewebe verringern als auch den Schmerz lindern sollen. Nebenwirkungen dieser Medikamente können eine teils schwere Belastung für das Herz-Kreislauf-System und den Verdauungstrakt sein. Insbesondere Opioide, die gegen starke Schmerzen helfen sollen, gehen mit einem hohen Potential zur Abhängigkeit einher. Zudem sind bei Opioiden Nebenwirkungen wie Übelkeit, Verstopfungen und bei Überdosierung eine potentiell lebensbedrohliche Verlangsamung der Atmung und der Herzfrequenz bekannt. Bis zu 60% der PatientInnen geben trotz der Einnahme von schmerzlindernden und entzündungshemmenden Medikamenten weiterhin Symptome an.
Um eine Behandlung von Arthritis für die Patient*Innen zu verbessern, ist das Therapieziel die Schmerzen zu lindern, ohne dabei schwere Nebenwirkungen zu erzeugen. Eine Möglichkeit, diesen Effekt zu erzielen, kann die Behandlung mit medizinischem Cannabis darstellen. Cannabinoide setzen ihre Wirkung im Körper über bestimmte Ansatzpunkte (die Cannabinoid-Rezeptoren) frei. Insbesondere der Cannabinoid-Rezeptor 1 ist an der Schmerzverarbeitung und -weiterleitung beteiligt. Der Cannabinoid-Rezeptor 2 sitzt auf körpereigenen Immunzellen und ist somit Teil des Immunsystems. Eine Aktivierung dieses Rezeptors kann zu einer Hemmung von Entzündungen beitragen. Im Organismus des Menschen gibt es körpereigene Stoffe (diese werden als Endocannabinoide bezeichnet), die an die Cannabinoid-Rezeptoren ansetzen und somit auf die Immunreaktion und Schmerzverarbeitung einwirken können. Die beiden Hauptkomponenten des medizinischen Cannabis – THC und CBD – werden eingesetzt, um eine vergleichbare Wirkung wie Endocannabinoide an den Cannabinoid-Rezeptoren auszulösen. Sie stellen daher einen attraktiven Ansatzpunkt zur Behandlung von Arthritis dar und können zu einer Symptomreduktion beitragen. Eine Behandlung mit THC erwies sich in bisherigen Studien als wirksam in der Schmerztherapie, insbesondere bei neuropathischen Schmerzen im Rahmen einer Multiplen Sklerose und Krebs.
Melissa O’Brien und ihr Team erstellten zur Untersuchung der Wirksamkeit von medizinischem Cannabis in der Behandlung von Arthritis diese Übersichtsarbeit. In dieser wurden demnach eine Vielzahl an Publikationen zusammengefasst, in denen Cannabis zur Behandlung von Gelenkschmerzen und Arthritis sowohl in Tierstudien als auch in klinischen Studien mit PatientInnen verwendet wurde. Verschiedene Tierstudien fanden Cannabinoid-Rezeptoren im Gelenkgewebe von Mäusen und Ratten, die einen Ansatzpunkt von medizinischem Cannabis zur Behandlung von Arthritis darstellen. Durch die direkte Verabreichung von synthetischen Cannabinoiden in die entzündeten Gelenke von Tieren konnte deren Schmerzreaktion signifikant verringert werden. Außerdem wurde durch diese Methode eine Entzündung in den Gelenken gehemmt. Zusätzlich wurden dosis-abhängige schmerzlindernde und entzündungshemmende Effekte von Cannabidiol (CBD) nachgewiesen. Das bedeutet, dass mit einer steigenden CBD-Dosis die Wirkung verstärkt wurde. Eine weitere Studie wies auf die prophylaktische Wirksamkeit einer Behandlung mit Cannabinoiden hin: durch die Cannabinoide konnten Nervenschäden und damit einhergehende neuropathische Schmerzen verhindert werden. In Hinblick auf die oben beschriebenen Schmerzmechanismen der Arthritis zeigt sich daher eine hohe Wirksamkeit bei der Behandlung mit medizinischem Cannabis durch einen Rückgang von nozizeptiven, entzündlichen und neuropathischen Schmerzen. Studien bei Tieren liefern demnach starke Hinweise darauf, dass Cannabinoide und insbesondere CBD eine wirksame Behandlungsmethode bei Arthritis darstellen und sowohl Schmerzen lindern als auch Entzündungen des Gelenks und der Nerven eindämmen können. Die Wirksamkeit von medizinischem Cannabis ist bislang spezifisch bei PatientInnen mit Arthritis wenig untersucht. In verschiedenen Publikationen konnten jedoch bei Patient*Innen ebenso wie bei Tieren Ansatzstellen für Cannabinoide im Gelenkgewebe (Cannabinoid-Rezeptoren) nachgewiesen werden. Dies liefert einen ersten Hinweis darauf, dass eine Behandlung mit medizinischem Cannabis effektiv sein könnte, da diese am betroffenen Gelenk wirken können. O’Brien und Kollegen weisen jedoch auf andere Studien hin, in denen medizinisches Cannabis zur Behandlung von neuropathischen und entzündlichen Schmerzerkrankungen verwendet wurde. Insgesamt fanden sie 18 klinische Studien, die medizinisches Cannabis bei neuropathischen Schmerzen, Fibromyalgie, rheumatoide Arthritis und chronischen Schmerzen einsetzten. Hier zeigte sich durch die Therapie mit Cannabis eine signifikante Linderung der Schmerzsymptomatik in mehr als 80% der betrachteten Studien. In allen Studien wurden durch die Einnahme von Cannabis (Inhalation, Mundspray, Öl) nur geringe Nebenwirkungen wie ein trockener Mund und leichte Schwindelgefühle berichtet.
O’Brien und ihr Team unterstreichen die nachgewiesene Wirksamkeit einer Therapie mit Cannabinoiden und insbesondere CBD zur Behandlung von Arthritis in Tierstudien. Trotz bislang geringer Studienlage zur Behandlung von Arthritis bei Patient*Innen deuten andere Studien zu entzündlichen und neuropathischen Schmerzen auf eine hohe Wirksamkeit von medizinischem Cannabis hin.
Medizinisches Cannabis und insbesondere CBD ist eine geeignete Therapiemöglichkeit zur Behandlung von Arthritis. Es kann sowohl zur Prophylaxe als auch zur akuten Behandlung eingesetzt werden und zeigt eine hohe Verträglichkeit mit einem geringen Nebenwirkungsprofil.
In den letzten Jahren wurden vermehrt Patient:Innen mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS)...