Wann ist eine Cannabistherapie sinnvoll und welche Möglichkeiten bietet sie?
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By: Dr. Julian Wichmann 12.09.24 05:00
Seit den gesetzlichen Erleichterungen des Cannabis-Gesetzes (CanG) im April diesen Jahres hätte man denken können, dass sich die Situation für Patienten, die medizinisches Cannabis benötigen, deutlich verbessert hat. Doch die Auswertung unserer aktuellen und repräsentativen Umfrage entlarvt eine andere, erschreckende Wahrheit: Viele Menschen sind nach wie vor gezwungen oder finden keine Alternative dazu, ihre Beschwerden mit illegal erworbenem Cannabis zu behandeln – trotz eigener Sicherheitsbedenken und der potenziellen Gesundheitsrisiken.
Obwohl die rechtlichen Hürden für den Zugang zu medizinischem Cannabis gesenkt wurden, greifen viele Patienten weiterhin auf Cannabis aus unsicheren, illegalen Quellen zurück. Laut unserer Umfrage konsumiert der Großteil der befragten Personen, die Cannabis einnehmen, in Deutschland aus medizinischen oder gesundheitlichen Gründen. Dennoch haben nur zehn Prozent der Befragten in den letzten zwölf Monaten Cannabis ausschließlich legal aus der Apotheke bezogen. Fast 60% der Konsumenten beziehen ihr Cannabis weiterhin illegal, oftmals trotz ihrer Sorge vor mangelnder Qualität und damit einhergehenden gesundheitlichen Schäden. Über ein Viertel der Befragten (26%) gaben an, bereits verunreinigtes Cannabis erworben zu haben, während rund 31% in der Vergangenheit schlechte Qualität auf dem illegalen Markt erhielten.
Die Debatten rund um den erleichterten Zugang zu medizinischem Cannabis sind oft hitzig und emotional. Doch anstatt die telemedizinische Behandlung als Chance für viele Betroffene zu sehen, geraten Patienten häufig ins Visier der Kritik. Ihnen wird unterstellt, Cannabis eher als Genussmittel zu konsumieren als aus medizinischer Notwendigkeit. Diese Stigmatisierung führt dazu, dass viele Patienten in den illegalen Markt gedrängt werden, obwohl sie sich einen sicheren, ärztlich begleiteten Zugang wünschen. Laut unserer Umfrage haben 40% der Befragten Angst vor unerwünschten Nebenwirkungen durch illegal erworbenes Cannabis, und 29% fürchten, dass ihre Gesundheit dadurch negativ beeinträchtigt wird. Ein weiteres weit verbreitetes Vorurteil, dass hauptsächlich Männer Cannabis konsumieren, konnte durch unsere Umfrage widerlegt werden. Hier zeigte sich, dass zwar mehr Männer als Frauen Cannabis einnehmen, Frauen jedoch einen Anteil von 41% der Konsumenten ausmachten. Trotz der Gesetzesanpassungen erfahren immer noch mehr als 77% der Konsumenten gesellschaftliche Stigmatisierung, was verdeutlicht, dass die gesellschaftliche Akzeptanz von Cannabis als Medizin noch nicht gewährleistet ist.
Unsere Daten weisen eindeutig darauf hin, dass gesundheitliche Motive bei den meisten Personen, die Cannabis einnehmen, in Deutschland ausschlaggebend sind. 94% der Befragten nennen mindestens einen gesundheitlichen Grund für ihren Konsum. Über die Hälfte der Befragten 1.009 Konsumenten nehmen Cannabis zur Linderung von Schlafproblemen und knapp 60% zur Stressreduktion. Zusätzlich gaben 34% der Befragten an, durch ihre Beschwerden im Arbeitsalltag und 36% im Lebensalltag eingeschränkt zu sein. Durch die Einnahme von Cannabis konnten etwa 20% dieser Patienten die Einnahme zusätzlicher Medikamente zur Linderung ihrer Symptome reduzieren oder ganz absetzen. Hier ist jedoch immer eine ärztliche Rücksprache ratsam.
Trotz der verbesserten rechtlichen Rahmenbedingungen finden über 90% der Befragten keinen Arzt, der offen für eine Cannabis-Therapie ist und über die notwendige Expertise verfügt. Ein großer Teil der Konsumenten hat bereits mit Ärzten über medizinisches Cannabis gesprochen, jedoch waren diese oft abgeneigt oder konnten nicht weiterhelfen. Lediglich 9% der Befragten haben problemlos einen Arzt gefunden, der sie kompetent in der Therapie mit medizinischem Cannabis begleitet. Vor diesem Hintergrund wünschen sich 92% der Befragten eine Cannabis-Behandlung per App mit Lieferung aus der Apotheke – eine Lösung, die nicht nur schneller umsetzbar, sondern auch sicherer ist.
Unsere Umfrage zeigt auch, dass der Konsum von Cannabis je nach Region variiert: In den bevölkerungsstärksten Bundesländern Nordrhein-Westfalen (22%), Bayern (13%), Niedersachsen (10%) und Baden-Württemberg (9%) ist der Konsum am weitesten verbreitet. In den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sind Cannabis-Konsumenten sogar überproportional zur Bevölkerung vertreten. Interessanterweise sind unter den Personen, die Cannabis einnehmen, nicht nur junge Menschen: Die Altersgruppen von 22-30 Jahren (28%) und 31-40 Jahren (28%) sind besonders stark vertreten, was zeigt, dass Cannabis längst nicht mehr nur ein „Jugendthema“ ist. Die Daten verdeutlichen zudem, dass es eher eine Ausnahme ist, mehrmals täglich Cannabis zu konsumieren, während mehr als die Hälfte der Befragten wöchentlich oder nur einmal täglich Cannabis einnehmen.
Es wird Zeit, dass Politik und Gesellschaft sich den Fakten stellen: Medizinisches Cannabis ist für viele Menschen eine wertvolle Therapieoption, die ihre Lebensqualität erheblich verbessert. Statt Patienten weiter zu stigmatisieren und Vorurteile zu schüren, sollten wir den offenen Dialog fördern, über das medizinische Potenzial von Cannabis aufklären und den Zugang für Betroffene erleichtern. Unsere Umfrage zeigt, dass 78% der Befragten negative Erfahrungen auf dem illegalen Markt gemacht haben oder sich vor möglichen Gesundheitsrisiken fürchten. Trotzdem berichten nur 11% der Konsumenten, bereits Patient zu sein.
Der Zugang zur Cannabis-Therapie sollte stigmafrei und für alle Menschen, die davon profitieren könnten, zugänglich sein. Nur so können wir das volle Potenzial dieser Behandlung ausschöpfen und zahlreichen Menschen helfen, ihre Beschwerden zu lindern. Das Cannabis-Gesetz hat zwar den rechtlichen Rahmen geschaffen, doch in der Realität sind noch viele Hürden zu überwinden – vor allem im Denken und in der gesellschaftlichen Akzeptanz. Lassen wir uns nicht von Vorurteilen leiten, sondern nutzen wir die Chancen, die medizinisches Cannabis bietet.
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